Montag, 15. Mai 2017


Aufnahme


Woher sie kamen, weiß niemand.

Plötzlich waren sie da, diese Fremden. Traten ein, als ob ihnen alle Türen offen stünden. Sprachen eine Sprache, die keiner verstand. Füllten den Raum mit ihrer schieren Anwesenheit. Standen einfach nur beieinander. Schauten. Staunten. Nahmen begierig alles auf. Nahmen, was sie aufnahmen, mit nach Hause, in die entlegensten Winkel der Welt.

Die Häuser.

Die Kathedralen.

Die Bibliotheken.

Die Bilder,

die sie sich in der Fremde machten. Und, wie es der Zufall wollte: auch die der Hintergründe, unbeachtet beobachtet, verschwommen zwar, aber unverkennbar.

Gefallen haben sie nicht gefunden, diese Bilder. Den roten Knopf zu drücken, das sollte wohl genügen.

Alles löschen, Erinnerungen, die keine waren.







Kreuzung


Er mühte sich von Wagen zu Wagen, war er doch gezwungen, sein Bein nachzuziehen. Der mächtige Koffer behinderte ihn. Sperrig, wie er war, schlug er dumpf an jede Ecke.

Der Weg zu seinem Abteil erschien ihm endlos. Gang um Gang ließ er hinter sich, gleichgültig war ihm jeder Schritt. Wie sollte er wissen, ob er nicht vielleicht zu weit gehen würde?

Eine Tür wurde weit aufgerissen. Erschrocken fiel ihm die Zahl ins Auge, wie im Schlaf nahm er sie wahr als das, was sie war.

Gedankenlos drängte er sich in sein Abteil, fasste schwer atmend seinen Koffer, wuchtete ihn an dem Mann vorbei hoch oben in das Gepäcknetz. Ihre Blicke kreuzten sich. Ein Gesicht, dessen Ähnlichkeit ihm entging. Ein Kopf, der nickte.

Der Mann schob sich wortlos hinaus auf den Gang, schloss die Tür wie ein Kapitel. Ging.

Unerkannt, der Eine vom Anderen.

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