Unerhörte Gedankensplitter
1.
Alles, was so zwischen der offen rassistischen
White Aryan Resistance (WAR) und anderen White Supremacy-Gruppierungen in der
USA sowie den diversen Identitären Bewegungen in Europa changiert, die eine als
Ethnopluralismus nur mühsam verhüllte völkische Einstellung vertreten, schaut
mit Abscheu und Verachtung auf alles herab, was nicht ist wie sie.
Sie sind die Krone der Schöpfung, die Spitze der
Evolution, die Herren der Welt. Die überlegene weiße Rasse, die es rein zu
halten gilt. Insbesondere von Elementen der minderwertigen negroiden Spezies.
Nun hat aber das Max-Planck-Institut für
evolutionäre Anthropologie in Leipzig unter Leitung von Svante Pääbo in den
letzten Jahren erstaunliches festgestellt: Den Neandertaler hat die Evolution
gar nicht dahingerafft. Zumindest nicht vollständig. Er lebt. In uns. Denn bis
zu 3% des Erbguts aller Menschen stammt von ihm, dem Vormenschen – selbst die Gene
der edlen Herrenrasse sind davon betroffen.
Nur nicht die der Afrikaner...
2.
In der FAS las ich neulich einen kleinen Artikel,
in dem über eine aktuelle soziologische Studie aus den USA berichtet wurde. Vorsorglich
wies die Autorin darauf hin, dass diese Studie nicht ganz hält, was sich
gewisse Kreise vielleicht von ihr versprechen. Aus gutem Grund, trägt sie doch den
Titel „Warum die Integration von Muslimen
in christlich geprägten Gesellschaften scheitert“.
Die Studie bezieht sich auf Langzeitbeobachtungen
der Muslime in Frankreich. Als wesentlicher Grund für das Scheitern wird dort
ein Aspekt ausgemacht, der mir, ich muss es gestehen, in dieser Form noch gar
nicht recht in den Sinn gekommen ist: Die Abwehrreaktionen in der Gesellschaft
finden nicht statt, weil man dem
Islam eine Tendenz zur Frauenfeindlichkeit oder etwa höhere Affinität zu Gewalt
zuschreibt. Nein: „Es ist die
Sichtbarkeit religiöser Praxis, die Nicht-Muslime stört“.
Wir reiben uns in unserer säkularisierten
Gesellschaft zunehmend an öffentlich zur Schau getragenen religiösen Symbolen.
An Minaretten. An Verschleierungen. An Bärten. Natürlich kann man vermuten,
dass dies im laizistisch geprägten Frankreich ausgeprägter ist als bei uns.
Aber auch aus Deutschland kennen wir ganz ähnliche Abwehrreaktionen. Heute mehr
denn je. Und vor allem aus Orten, wo diese Symbole in der Regel nur in der
Theorie oder als Projektion auftauchen.
Das gilt aber nicht nur, wie man glauben möchte,
für islamische Symbole. Alles Religiöse ist weitestgehend aus der
Öffentlichkeit verbannt. Auch bei uns. Entsprechend begegnen wir allem
Religiösen, das in der Öffentlichkeit sichtbar wird (oder werden könnte), mit
irritiertem Unbehagen, stellt es doch für uns mittlerweile etwas Fremdes,
Unbekanntes, potentiell Gefährliches dar. Und darauf reagieren wir nun mal selten
mit einem freudigen Hallo, sondern eher mit entschiedener, manchmal sogar mit aggressiver
Ablehnung. Erst verbal, dann physisch.
Mir schießt da ein unguter Gedanke in den Sinn: Sollte
diese Studie tatsächlich stichhaltig sein – lässt sich ihr Fazit womöglich
generalisieren? Was ist eigentlich mit den hunderttausenden von behinderten
Mitbürgern, die früher ein ganz selbstverständlicher Teil des öffentlichen
Bildes und damit der öffentlichen Wahrnehmung waren? Was wäre, wenn wir die
Tore der Heime öffnen, die Behinderten in die Städte strömen und sie dort
wieder für jeden sichtbar würden?
Wie würden wir dann wohl auf sie reagieren?
3.
Erzbischof Kardinal Woelki ist ein verständiger
Mann, der mit beiden Beinen im diesseitigen Leben steht. Nichts Weltliches
scheint ihm fremd zu sein. Eine Eigenschaft, die man nicht unbedingt jedem
Geistlichen zuschreiben kann. Nun hat mich letztens aber dieser gute katholische
Hirte durch eine Äußerung etwas irritiert. Da sagte er doch, dass er die
derzeitige Debatte um das Zölibat und die Frauenordination nicht recht nachvollziehen
kann, weil „diese katholischen
Standpunkte dem göttlichen Schöpfungswillen entspringen“.
Zölibat und Ablehnung der Frauenordination sind
dem „göttlichen Schöpfungswillen’“ entsprungen?
Ja, in der Tat: Die Frauenordination war bereits
im Frühchristentum tabu. Die Gemeinde galt als weiblich, als Braut. Der
Priester musste demnach, da hatte man ein ganz traditionelles Rollenverständnis,
männlich sein. Wie der Bräutigam. Aber in der gesamten christlichen Literatur
seit Anno Domini ist, Herr Woelki möge mich da eines besseren belehren, in
diesem Zusammenhang niemals von einem Schöpfungswillen die Rede, dem das Verbot
der Frauenordination zuzuschreiben ist. Und von einem göttlichen schon mal gar nicht.
Ähnliches gilt für das Zölibat. Zwar gibt es im
Neuen Testament hier und da die Forderung, der Oberhirte einer Gemeinde möge
doch bitteschön enthaltsam leben. In einem Akt der Freiwilligkeit, um des
Himmelreichs willen, wie es so schön heißt. Um mit ungeteiltem Herzen sich
seiner Aufgabe und den Menschen, also als Bräutigam der Braut Gemeinde zu widmen.
Wobei es lange einen Dissens in der Frage gab, ob nun unter Zölibat die
Ehelosigkeit oder aber die Enthaltsamkeit zu verstehen war
(die Vertreter der Ehelosigkeit scheinen mir
recht sympathische moralische Schlawiner gewesen zu sein: Ein Priester sollte
ehelos leben, aber nicht enthaltsam...).
Endgültig entschieden wurde diese Frage erst auf dem
Zweiten Laterankonzil in Rom. Seitdem gilt für alle Geistliche das Zölibat als
kodifizierte Form der sexuellen Enthaltsamkeit. Im Jahr des Herrn 1139 geschah dies,
um genau zu sein. Doch was genau geschah da?
Das Zölibat ist, das hat uns Erzbischof
Kardinal Woelki ja gelehrt, dem „göttlichen
Schöpfungswillen“ entsprungen. Und da es ihm um die verbindliche, nicht aber
um die freiwillige Form des Zölibats geht,
muss er sich auf ihre Kodifizierung beziehen, die
1139 erfolgt ist. Zu diesem Zeitpunkt muss also, sollte Herr Woelki recht haben,
der göttliche Schöpfungswille im Lateran irgendwie über die anwesenden Kleriker gekommen
sein. Doch wie? Ist Gott womöglich selbst herabgestiegen und hat ihnen das
Zölibat verkündet? Oder haben die gottesfürchtigen Herren daselbst den Heiligen
Geist empfangen? Waren sie hernach der Zungenrede fähig?
Ich bin verwirrt, Herr Woelki. Warum erfährt die
Menschheit erst jetzt von dieser wundersamen Begebenheit?
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