Noch mehr unerhörte Gedanken
1.
Die Realität schreibt immer noch die besten
Pointen: Bundesfinanzminister Schäuble plant für 2017 eine Erhöhung des
Kindergelds – um 2 Euro.
2.
Im August 1945 erschien George Orwells
utopische Fabel Animal Farm, eine
Abrechnung mit dem pervertierten Sozialismus stalinistischer Prägung. Weil die
Sowjetunion zu diesem Zeitpunkt aber noch Alliierter der Westmächte war,
versuchte die Regierung des Vereinigten Königreichs die Veröffentlichung des
Buches zu verhindern. Diesen Akt vorauseilender Selbstzensur klagte Orwell im
Vorwort der Fabel unter der Überschrift The Freedom of the Press an. Und
hielt darin ein flammendes Plädoyer für die Freiheit des Wortes:
„Falls
Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann bedeutet sie das Recht darauf, den
Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen.“
Die Verlage nahmen ihm dieses Recht – das
Vorwort fiel eben jener vorauseilender Selbstzensur zum Opfer, die Orwell darin anprangerte. Das Buch erschien, das Vorwort nicht. 1
Was für eine bittere Ironie.
Für Orwell stellte die Freiheit, das zu
sagen dürfen, was andere nicht hören wollen, ein so hohes Gut dar, dass alle in
dessen Genuss kommen sollten. Völlig unabhängig davon, was sie sagen.
Diese Freiheit jedoch ist ein zweischneidiges
Schwert. Und manchmal nur schwer zu
ertragen. Ich zum Beispiel würde am liebsten gar nichts mehr von der Herzogin
von Oldenburg vulgo Frau von Storch hören. Oder von dem beurlaubten
Gymnasiallehrer Höcke. Erst recht nichts von den Herren Erdogan, Orban,
Wilders, Kaczynski, Hofer, Trump, Putin oder Dutarte. Um nur einige wenige
zu nennen.
1Erstmals wurde das Vorwort im September
1972 veröffentlicht. Aber nicht als Vorwort des Buchs, sondern, eingeleitet von
Bernhard Crick, in The Times Literary Supplement.
3.
Fangfrage: Von wem stammen die
folgenden Zitate?
1. „Wir
sind dagegen, dass sich unser weltoffenes Land durch die Zuwanderung oder
Flüchtlingsströme verändert.“
2. "Wir sind weltoffen, wir sind tolerant, wir sind nicht gegen Fremde.
Aber es ist unser Land, es ist unser Volk, und es ist nicht das Volk von
Fremden."
3. „Heute sind wir tolerant – und morgen fremd
im eigenen Land.“
(Falsch. Nur ein Zitat stammt von AfD-Vize
Alexander Gauland.)
4.
AfD-Chefin Frauke Petry hat, wie viele
andere Vertreter der Neuen Rechten auch, ein recht klar strukturiertes
Weltbild: Im Einklang mit dem Ethnopluralismus der Identitären Bewegung plädiert sie für eine ethnische und kulturelle
Homogenität der Völker, die rein ist von fremdvölkischen Einflüssen.
Verständlich, dass sie deshalb den
Begriff „völkisch“, völlig ungeachtet
seiner historischen Konnotation, positiv besetzen möchte. Eine Absicht, die sie
eben erst in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ zum Ausdruck gebracht
hat. Nur konsequent, wenn sie in diesem Zusammenhang betont, dass für sie die
Aussage „’völkisch’ ist rassistisch“ eine
„unzulässige Verkürzung“ darstellt.
Warum? Weil sie ja, ganz unverfänglich,
nur die ethnische und kulturelle Homogenität vor Augen hat, nicht aber, wie ehedem die
Nationalsozialisten, die erbbiologische.
Unter dieser verharmlosenden Prämisse lässt sich, ohne jegliche sprachliche Scheu
vor den Implikationen, daraus flugs ein völkischer
Gegenentwurf zur multikulturellen Gesellschaft entwickeln.
Scheinbar großherzig und liberal,
pluralistisch und weltoffen wird dort allen Völkern, natürlich nur zum Schutz
ihrer eigenen, ‚völkischen’ Identität, das Recht auf Homogenität zugesprochen.
Doch
da, wo der Ethnopluralist von ‚alle’ spricht,
meint er nur ‚wir’: Fremde Ethnien
interessieren ihn
nur insoweit, als dass sie sich schnellstmöglich in ihre jeweiligen
Herkunftsländer verziehen.
Dem Ethnopluralisten geht es einzig um die Identität seines jeweils eigenen, in diesem Fall: um die des deutschen Volkes. Und damit um Ausgrenzung. Abschottung. Reinhaltung. Die, betrachtet man die Kehrseite der Medaille, nichts anderes bedeutet als Diskriminierung fremder Ethnien und Kulturen: Sprachlich schön weichgespült tritt hier unter dem Deckmantel der Homogenität auf, was de facto schiere Fremdenfeindlichkeit ist.
Dem Ethnopluralisten geht es einzig um die Identität seines jeweils eigenen, in diesem Fall: um die des deutschen Volkes. Und damit um Ausgrenzung. Abschottung. Reinhaltung. Die, betrachtet man die Kehrseite der Medaille, nichts anderes bedeutet als Diskriminierung fremder Ethnien und Kulturen: Sprachlich schön weichgespült tritt hier unter dem Deckmantel der Homogenität auf, was de facto schiere Fremdenfeindlichkeit ist.
Und der Schritt von der Feindlichkeit
allem Fremden gegenüber, der Ablehnung alles Undeutschen zur Wahrung der völkischen
Identität, hin zum unbedingten, heroisierenden Glauben an die eigene ethnische
und kulturelle Überlegenheit, ist klein.
Sehr klein.
Der nächste Schritt ist noch kleiner.
5.
In der ersten mekkanischen Phase waren die Suren,
so die gängige Ansicht der Islamwissenschaft heute, „von dem Gedanken an die unmittelbare Ankunft des jüngsten Gerichts
sowie der Vorstellung an einen barmherzigen Schöpfergott bestimmt“. Zu
diesem Zeitpunkt ist der Islam noch keine ausgestaltete, eigenständige Religion,
eher eine von der Begegnung mit Judentum und Christentum sowie den
urchristlichen Werten geprägte, ursprünglich friedvoll-reformerische Bewegung:
Mohammed wollte Juden und Christen auf den rechten Weg zu dem ursprünglichen
abrahamitischen Glauben, den er ‚Islam’,
Hingabe zu Gott, nannte, zurückführen.
Auch später, in der weiteren Offenbarung Gottes,
die nach islamischen Verständnis durch den ‚Mann Gottes’, Gavri-El, Erzengel Gabriel vermittelt wurde, ist der Koran durchdrungen
von Elementen, die konfessionsübergreifend sind. So die Geschichte
von Maria, Zakariya oder Maryam, der als einziger Frau im Koran eine
eigene Sure gewidmet ist.
Maria wird ganz so beschrieben, wie sie auch uns
bekannt ist: als vor allen Weibern der Welt auserwählte Frau. Als gereinigte
Mutter, die ein Kind gebar, ohne dass ein Mann sie je berührt hat. Ein Kind,
entstanden aus dem Schöpfungswillen Gottes, Allahs,
der sprach: „Sei!“. So ward Jesus allein durch das Wort Gottes.
Anders übrigens als Mohammed. Der zum einen ganz
profan der Sohn eines Vaters und einer Mutter war. Zum anderen zwar in seiner
Himmelfahrt zu Allah aufstieg, nach seinem Tod aber nicht, wie Isa bin Maryam, Jesus, Sohn der Maria, wieder zum Leben
erweckt wurde.
Welche Schlüsse zöge daraus wohl der wahhabitische
Radikalfundamentalist und Anführer des IS, Abu-Bakr al-Baghdadi, würde er sich in
einer schwachen Stunde daran erinnern?
Keine. Vielleicht.
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