Das
Selbstbild des Mannes
Dieser Tage wird viel über ein mögliches Burka-Verbot gesprochen. Mal, wie in
Frankreich, im Rahmen eines generellen Verhüllungsverbots, das sich durchaus nicht
auf das Tragen von Burkas reduziert, sondern ganz allgemein und ohne religiöse
Bezugnahme gilt. Da übrigens dem Vermummungsverbot nicht unähnlich, das 1985 in
Deutschland als Versammlungsgesetz beschlossen wurde. Mal aber auch, indem auf
die bei uns erreichte Rechtsposition der Frau und das damit einhergehende
Geschlechterkonzept verwiesen wird, das in Europa mittlerweile gesellschaftliche
Konvention geworden ist – wenn auch nicht immer praktisch konsequent
realisiert, so doch als Konsens theoretisch weitgehend akzeptiert.
Wenn es um das
Tragen von Hidschab, Tschador, Niqab oder Burka geht, wird immer wieder auf die
patriarchal strukturierte Gesellschaft in muslimisch geprägten Ländern
hingewiesen. Und auch auf die Gefahren, denen die Frauen durch den Mann
ausgesetzt sind: Es diene nur ihrem eigenen Schutz, so die Argumentation, wenn
sie ihren Körper so weit verhüllen, dass er den lüsternen Blicken der Männer, die sich da als „sexuelle Tiere“ gerieren
(Khorchide), keine
Angriffsmöglichkeit mehr bietet.
Allerdings scheint in
radikalkonservativ geprägten muslimischen Gemeinschaften diese
geschlechtsneutrale Verpackung der Frau immer noch nicht auszureichen, um den
männlichen Sinnen keinerlei Anlass zu hormonell bedingten Übergriffen zu geben.
Deshalb werden die Frauen dort oftmals nicht nur unter Tüchern verborgen,
sondern nahezu gänzlich der Öffentlichkeit entzogen und dem ‚Schutz’ der eigenen vier Wände überantwortet
– ein Hausarrest der perfiden Art.
Die Verhüllung dient aber nicht allein dem ‚Schutz’
der Frau, sie ist ursprünglich sogar ein Akt ihrer Befreiung. Denn durch diese
Verhüllung unterschied sich die vermeintlich freie Frau von der Sklavin: Letztere
durfte sich nämlich nicht in der
Öffentlichkeit verhüllen. Dieses von Mohammed verbriefte ‚Recht’ war einzig der freien Frau vorbehalten: Die verhüllte oder gar
gänzlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit lebende Frau als das Sinnbild der
freien Frau – darauf muss man erst mal kommen.
Ganz so fern ist
diese Vergangenheit in der muslimischen Öffentlichkeit und in der dortigen öffentlichen
Wahrnehmung aber offensichtlich nicht. „Eine Frau, die sich alleine im
öffentlichen Raum bewegt“,
so die Psychotherapeutin Deniz Baspinar in der ZEIT, „scheint in den Augen vieler dieser Männer herauszufallen aus dem
Schutzraum Familie und verliert somit ihren Anspruch, unbelästigt ihres Weges
gehen zu dürfen“.
Die unverhüllte, sich frei
bewegende und kleidende Frau erscheint, im
Gegensatz zu der moralisch guten, weil verhüllten, somit für jedermann frei
verfügbar. Die sexuellen Wünsche des
Mannes, so Deniz Baspinar, werden auf sie projiziert
– und durch diese Projektion wird ihr zudem unterstellt, dass seine sexuellen Wünsche in Wahrheit ihre sind. Eine
solche bauernschlau „als moralisch
verderbt etikettierte Frau (verliert) ihren Anspruch auf Schutz und
Unversehrtheit“. Und darf somit auch Ziel sexualisierter Gewalt werden.
Selber schuld. Die Punz hat es doch nicht anders gewollt (woher kenne ich
diesen Spruch bloß...).
Es
werden, wie Baspinar betont, die „Frauen, mit denen Sex möglich ist,
gleichzeitig herbeigesehnt und aggressiv abgewertet“. Mouhanad Khorchide spricht hier vor
„einer Übersexualisierung der Beziehung
zwischen Mann und Frau und der daraus resultierenden Reduzierung der Frau auf
ihren Körper“ – also eine Reduzierung der Frau auf ein sexuelles Objekt,
vor dem die Männer auf Erden ihrerseits geschützt werden müssen. Auch auf diese
Logik muss man erst mal kommen.
Im Jenseits sieht die Sache allerdings gänzlich
anders aus. Denn ziehe ich als Märtyrer ins Paradies ein, dann wartet dort der absolute
Tabubruch als himmlische Belohnung auf mich, der Gegenentwurf der moralisch
guten Frau: die willfährige, allzeit bereite, den Männern somit sexuell stets
verfügbare, ewig junge, ewige Jung-Frau. Gleich 72 an der Zahl. Alle mit
anregenden Vaginas ausgestattet. Vollen, niemals hängenden Brüsten. Lebendige Love Dolls.
Gummipuppen. Keine Subjekte mehr, nur noch pure Objekte der Begierde des
dauererigierten Mannes, seinen Trieben vollends ausgesetzt.
Ein wilder Tiger im irdischen Käfig,
der, seiner Fesseln endlich ledig, droben seinen niederen Instinkten nachjagt und
seine unterdrückte Sexualität genussvoll ausleben kann. Als Mann. Was das für
die 72 Jungfrauen bedeutet, ist nicht überliefert.
Aber sehen wir einmal, auch wenn’s vielleicht
schwer fällt, kurz von der Stellung der Frau ab, die hier zum Ausdruck kommt:
Was bedeutet diese paradiesische Erfüllung eigentlich konkret für den Mann? Faktisch
wie gesagt dies: Er muss bis zum jüngsten Gericht mit Dauererektion leben, muss 72 sexuell
unerfahrene Jungfrauen stets aufs Neue deflorieren, ist ständig von prallen
Brüsten und wolllüstigen Vulvas umgeben, die er zu besteigen hat. Mal unter uns
Männern, liebe Märtyrer: Das ist nicht
sinnlich. Das ist auch nicht himmlisch. Das ist die Hölle. Oder, schlimmer
noch, ein ganz mieser Porno auf Endlosschleife.
Keine selbstbewusste Frau, die mir vielleicht
zur Abwechslung mal eine neue, erregende Erfahrung offenbart. Keinen Moment
Pinkelpause (wie soll das mit erigiertem Glied gehen?). Keine Runde Kicken mit
alten Kumpels. Nichts. Nur rammeln, rammeln, rammeln, bis der Herr endlich ein Erbarmen
hat.
Wie schlecht muss der Mann von sich
selber denken, wenn er meint, dass allein der Anblick eines nackten weiblichen Körperteils,
ja sogar nur der Hauch einer Andeutung einer weiblichen Körperform unter einem weiten
Tuch in ihm eine solche Sturzflut an Hormonen auszulösen vermag, dass sie völlig
unkontrolliert seinen Körper durchströmt und ihn zu einem willenlosen, rein
instinkt- und triebgesteuerten Männchen werden lässt, das allein durch die
Besamung des Weibchens halbwegs wieder besänftigt werden kann? Und was hab’ ich
davon zu halten, wenn er sich dies, was ihm auf Erden versagt bleibt, als
paradiesischen Zustand erträumt? Ja, wenn er auch noch zu allem Überfluss
bereit ist, sich in die Luft zu jagen, um so in diesen zweifelhaften Genuss zu
kommen?
Ich finde, es wäre langsam mal an der
Zeit, dass weniger über Burkas und die Rolle der Frau gesprochen wird. Sondern
mehr über die Emanzipation des muslimischen Mannes von sich selbst. Oder über
eine Zeitenwende: Wie wär’s, wenn die nächsten 1400 Jahre der Spieß rumgedreht
wird? Als Ausgleich. Komplett. Im Dies- wie im Jenseits. Ob das ein Heidenspaß
für die Frauen wäre?
Ich glaube nicht.