Kunst
– ein Kollektivsingular?
1.
Meine erste Begegnung mit dem
Kollektivsingular hatte ich wohl um 1979 in einem der schönsten Arthouse Kinos
Düsseldorfs, dem Bambi in der Klosterstraße. Der dortige Zuschauerraum
war über und über mit alten Filmplakaten dekoriert. So etwa mit dem eines US-amerikanischen
Films mit John Wayne und dem jungen Hardy Krüger, Hatari, sowie dem eines
französischen Films mit Brigitte Bardot und Curd Jürgens in den Hauptrollen und
dem Kollektivsingular im Titel: Und immer lockt das Weib. Allerdings
muss ich gestehen, dass mich zum damaligen Zeitpunkt ‚das Weib‘ weniger als
Kollektivsingular interessierte. Ich muss sogar gestehen, dass ich zu jener
Zeit weder den Begriff ‚Kollektivsingular‘ kannte noch wusste, dass er, wie auf
Wikipedia zu lesen ist, „die grammatische Lieblingsfigur des Vorurteils“
ist. Ganz abgesehen
davon, dass ich mich, aus heutiger Perspektive die Dinge betrachtend, nur
wundern kann, warum das Bambi angesichts dieses plakativ zur
Schau gestellten Titels nie Ziel von Guerilla-Aktionen feministischer
Studentinnen-Gruppen geworden ist. So aber konnte ich mich, noch bar jeder geschlechterspezifischen
Sprachsensibilität und sprachanalytischen Kenntnisse, im Dunkeln des
Zuschauerraums unsterblich in das Weib meiner Träume, Fanny Ardant, verlieben.
Die Zeiten sind vorbei. Nun bin ich sowohl sensibilisiert als auch
in Kenntnis der Bedeutung des Begriffs ‚Kollektivsingular‘.
Und weiß, dass ‚das Weib‘ zwar im Singular steht, im Filmtitel Und immer
lockt das Weib damit aber, ganz im Gegensatz zu meinem einzig wahren Weib
Fanny Ardant, der Plural, das Kollektiv gemeint war: nämlich alle ‚Weiber‘. Nicht
anders verhält es sich bei dem Menschen, der dem Menschen ein Wolf ist. Hier
ist nicht ein einzelner Mensch gemeint, hier sind alle Menschen gemeint. Denn
alle Menschen begegnen allen Menschen als Wolf. Das heißt, der Singular ‚der
Mensch‘ hat keine qualitativ andere Bedeutung als der Plural ‚die Menschen‘, der
Singular ‚das Weib‘ keine qualitativ andere als der Plural ‚die Weiber‘: Kollektivsingular
wird ein Begriff genannt, der zwar im Singular steht, für den es aber immer auch
einen entsprechenden Plural gibt.
Anders verhält es sich mit anderen Begriffen. So zum Beispiel mit
dem Begriff ‚Kirche‘. Von dem gibt es offensichtlich mindestens zwei verschiedene
Begriffe eines gleich lautenden Wortes. Benutze ich beispielsweise das Wort Kirche,
so kann ich mich auf jenes Gebäude mitten im Dorf beziehen, das durch
viertelstündige Glockenschläge bisweilen so manchen Atheisten zur Weißglut
treibt. Und spreche ich im Plural von Kirchen, so kann ich mich auf die
verschiedenen Gebäude in verschiedenen Dörfern beziehen, in denen das Gleiche
geschieht. Spreche ich jedoch von der Kirche, die sich dringend
reformieren muss, weil sie sonst das Zeitliche segnen wird, so ist hier nicht
ein Gebäude, sondern die heilige Institution ‚Kirche‘ gemeint. Würde ich in
diesem Fall den Plural ‚Kirchen‘ bilden, würde sich eine Veränderung der qualitativen Bedeutung
ergeben. Aufmerksame Leser werden an dieser Stelle vielleicht einwenden:
Aber es gibt doch neben der katholischen auch noch die evangelische, orthodoxe,
armenische, syrische, koptische etc. Kirche, mithin also diverse ‚Kirchen‘. Das
lässt sich nicht bestreiten. Doch davon abgesehen, dass sich die katholische
Kirche als die Eine Kirche versteht, sie also streng genommen keinen Plural
duldet, verstehen sich alle genannten Kirchen als ‚Kirche‘ Jesu Christi. Und
zumindest dieser Begriff ‚Kirche‘ steht ausschließlich im Singular.
Ein Begriff, der ausschließlich im
Singular stehen kann, ist aber, wie wir gesehen haben, kein Kollektivsingular.
Denn dieser meint ja, obgleich er im Singular steht, eigentlich den Plural, das
Kollektiv. Was jedoch bei der ‚Kirche‘ Jesu Christi ganz sicher nicht der Fall
ist: Meine ich mit dem Wort Kirche das Gebäude, so habe ich einen
anderen Begriff ‚Kirche‘ im Sinn, als wenn ich mit dem Wort Kirche die ‚Kirche‘
Jesu Christi meine. Bei diesem Begriff ‚Kirche‘ handelt es sich nicht, wie ‚das
Weib‘ oder ‚der Mensch‘, um ein Kollektivsingular, es handelt sich vielmehr um
ein Substantiv, der, wie
es auf Wikipedia geschrieben steht „seinen Referenten
als einheitliche, nicht unterteilbare Entität konzeptualisiert“. Ein ähnliches Phänomen finden wir bei dem Wort Sprache.
Meinen wir mit Sprache die Einzelsprache, so können wir davon einen
Plural bilden, der qualitativ nichts anderes meint: Sprachen. Ob es von
dem Wort Sprache nun auch einen Begriff ‚Sprache‘ als Kollektivsingular
gibt, vermag ich ad hoc nicht zu sagen. Aber sehr wohl, dass es einen Begriff
‚Sprache‘ gibt, dessen Typus im Deutschen etwas unglücklich als ‚Stoffname‘ (engl.
mass noun) bezeichnet wird. Damit ist ‚die Sprache‘ als Oberbegriff, als
Kennzeichnung dessen gemeint, was die menschliche Artikulationsfähigkeit von der
tierischen unterscheidet. Von diesem Begriff ‚Sprache‘ lässt sich, wie schon
von der ‚Kirche‘ Jesu Christi, kein Plural bilden: Die alte Weisheit unum
nomen unum nominatum gilt nicht – es ist eben nicht immer jedes Wort mit
dem gleichen Begriff verknüpft.
Wie sieht es nun bei dem Begriff ‚die
Kunst‘ aus, dem Oberbegriff
aller künstlerischen Schöpfungen, der nicht schon in der Antike existierte,
sondern erst im späten 18., frühen 19. Jahrhundert entstand und auf etwas referiert, dessen Ende angeblich Hegel
verkündete, kaum war der Begriff sprachlich geboren? Dem allgemeinen
Konsens des fachwissenschaftlichen Diskurses zufolge handelt es sich bei ihm, wie
bei ‚das Weib‘ und ‚der Mensch‘, um einen Kollektivsingular (entsprechend
äußern sich beispielsweise Schmücker
2006: 241, Roland Kanz 2014, Beat Wyss 2018). Durch unsere Überlegungen
etwas verunsichert wollen wir uns diesem Diktum jedoch nicht so ohne Weiteres
anschließen. Sondern ihm stattdessen ein wenig auf den Zahn fühlen: Handelt es
sich bei dem Begriff ‚Kunst‘ als dem Oberbegriff aller künstlerischer
Schöpfungen um einen Begriff, von dem ohne Veränderung der qualitativen Bedeutung ein Plural gebildet werden
kann? Oder ist es nicht vielmehr so, dass von ihm kein solcher
Plural gebildet werden kann? Sollte dem so sein, dann wäre der fachwissenschaftliche Konsens, dass es sich bei
diesem Begriff ‚Kunst‘ um einen Kollektivsingular
handelt, nicht länger haltbar. Stattdessen würden wir konstatieren müssen, dass
es sich bei ihm vielmehr um einen Begriff handelt, der im Deutschen die Bezeichnung
‚Stoffname‘ (engl. mass
noun) trägt: ein nicht zählbares Substantiv.
2.
Bevor wir uns aber zu der These
versteigen, diesen Begriff ‚Kunst‘ gäbe es ausschließlich im Singular, sollten wir uns das Wort Kunst
noch einmal etwas näher anschauen: Liegt bei ihm auch, wie bei Sprache
und Kirche, das Phänomen gleich lautender Wörter vor, die völlig verschiedene
Begriffe generieren und jeweils anderen Regeln folgen? Schon unsere ersten
Überlegungen zum Begriff ‚Kunst‘ als Oberbegriff haben erahnen lassen, dass, wenn
wir über ‚Kunst‘ reden, es entgegen allem Anschein durchaus nicht immer klar
ist, worüber wir dann eigentlich reden. Weder dem, der redet, noch dem, der
zuhört. Und das, obwohl beide meinen, dem wäre so. Ob dann beide, wenn dem wider
Erwarten doch so sein sollte, dass beide über das Gleiche reden, sie auch über
den gleichen Sachverhalt reden, sei einmal dahin gestellt. Zumal selbst in Fachdiskursen
Expert*innen ohne jede Scheu fröhlich zwischen verschiedenen Gebrauchsweisen dieses
zudem inflationär gebrauchten Wortes Kunst hin und her wechseln (cf. meine
Anmerkungen zu einem Vortrag des Medientheoretikers Peter Waibel, in denen ich
diese Sprunghaftigkeit exemplarisch aufzeige, in: Oehm 2019b: 327).
An anderer Stelle haben wir uns bereits
einmal an einer systematischen Differenzierung der Begriffe versucht (cf.
Oehm 2019b: 83, 92ff.; auch: Oehm 2019a: 10ff), um aufzuzeigen, mit welchen Begriffen
‚Kunst‘ wir es im alltäglichen und fachspezifischen Umgang zu tun haben. Wir
stellten dabei fest, dass das Wort Kunst sowohl auf Phänomene der Mikroebene
des individuellen Kunstschaffens (AK) als auch auf Phänomene der
Makroebene der sozialen Institutionen (BK) Anwendung findet. Dabei
lassen sich mindestens vier Gebrauchsweisen des
Wortes Kunst identifizieren und differenzieren, die auf
unterschiedliche Phänomene der Mikroebene (AK)
referieren und einen je spezifischen Begriff ‚Kunst‘ erzeugen. Darüber
hinaus lassen sich mindestens drei verschiedene Gebrauchsweisen des Wortes Kunst
identifizieren und differenzieren, die auf Phänomene der Makroebene (BK)
referieren und dabei ebenfalls einen je spezifischen Begriff ‚Kunst‘ erzeugen:
Mikroebene
des individuellen Kunstschaffens:
AK.1 : bezogen auf die subjektive Befindlichkeit ->
Er lebt seine Kunst.
AK.2 : auf den eigentlichen Prozess des
Kunstschaffens -> Malen ist Kunst.
AK.3 : auf das konkrete Werk -> Das ist
Kunst!
AK.4 : das gesamte Oeuvre -> Seine Kunst ist
in vielen Genres zu Hause.
Makroebene der
sozialen Institutionen:
BK.1 : Kunst als episodales Ereignis einer
spezifischen überindividuellen sozialen Institution (so z.B. Stile in der
Musik: Jazz, Rap, Klassik…; Medien in der bildenden Kunst: Performance,
Malerei, Fotografie…) -> Fotografie ist die Kunst, die mich am meisten
anspricht.
BK.2 : Kunst als spezifische überindividuelle
soziale Institution (Kunstgattungen, z.B. die Musik, die bildende Kunst, das
Theater…; auf dieser Ebene des Gebrauchs wird, selbst im fachspezifischen und
wissenschaftlichen Diskurs, oftmals der Kunstbegriff auf die bildende Kunst
beschränkt) -> Im Museum wird die Kunst des 19. Jahrhunderts gezeigt.
BK.3 : Kunst als allgemeine überindividuelle
soziale Institution (‚die Kunst‘ – gibt es auf dieser Ebene nur als nicht
zählbares Substantiv) -> Die Kunst ist etwas zutiefst Menschliches.
Dass es mit dieser
vorläufigen Differenzierung aber noch längst nicht getan ist, zeigt bereits ein
flüchtiger Blick auf den Begriff ‚moderne Kunst‘. Er lässt sich als zeitlicher
Marker verstehen, der ein differenzierendes Element des Begriffs ‚Kunst‘ auf den
verschiedenen Horizontalen der Makroebene der sozialen Institutionen darstellt:
BK.1.1 : Moderne Kunst als aktuales episodales
Ereignis einer spezifischen überindividuellen sozialen Institution (z.B. eines
Mediums der Kunstgattung ‚bildende Kunst‘: die immersive Kunst) -> Die Kunst
lässt die Illusion als Realität erscheinen.
BK.2.1 :
Moderne Kunst als aktuales Momentum einer spezifischen überindividuellen
sozialen Institution (z.B. der Kunstgattung ‚bildende Kunst‘) -> Wer Kunst
heute nur in Berliner Ateliers sucht, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt.
BK.3.1 :
Moderne Kunst als aktuale Extraktion des Oberbegriffs ‚Kunst‘, das
heißt: als die alle Kunstgattungen umfassende Erscheinung der
allgemeinen überindividuellen sozialen Institution in der aktualen Synchronie (von
der Musik bis zur bildenden Kunst) -> Kunst ist heute egalitär.
Dass es sich bei
den Begriffen ‚moderne Kunst‘ auf den verschiedenen Horizontalen der Makroebene
tatsächlich um verschiedene Begriffe handelt, ist schon dadurch ersichtlich,
dass wir in den beiden ersten Fällen BK.1.1 und BK.2.1 problemlos von ‚modernen Künsten‘ reden
und sie auch benennen können, im letzten Fall BK.3.1 jedoch nicht: Auch
als aktuale Extraktion des Oberbegriffs ‚Kunst‘ bleibt der Begriff ‚moderne
Kunst‘ ein Obergriff – und damit ein nicht zählbares Substantiv. Würde ich hier
von ‚modernen Künsten‘ sprechen, würde ich etwas qualitativ anderes
meinen.
Gibt es weitere Varianten
des Gebrauchs des Wortes Kunst? Angenommen, wir würden im MdbK Leipzig eine
Ausstellung moderner
Kunst besuchen
und dort Zeuge eines heftigen Disputs über den Stellenwert eines bestimmten
Werks werden. Eine Besucherin echauffiert sich über eine ihrer Ansicht nach dumme
Bemerkung ihres offensichtlich inkompetenten Begleiters und ruft, auf das Artefakt
zeigend, sichtlich erbost aus:
(a)
Das ist Kunst!
Da wir uns in einer
Ausstellung moderner Kunst befinden, wollen wir annehmen, dass der
Ausruf unserer kenntnisreichen Besucherin, bei dem sie das Wort Kunst sehr
pointiert betont, eine unausgesprochene Attribuierung impliziert:
(a.1) Das
ist (moderne) Kunst! (und kein Firlefanz)
Damit ließe sich
diese Aussage als eine Variante der Verwendung des Begriffs ‚Kunst‘ auf der
Horizontalen AK.3 der Mikroebene des individuellen Kunstschaffens beschreiben:
AK.3.1 : die kontextuell bedingte Einordnung des konkreten
Werks -> Das ist (moderne) Kunst!
Allerdings kann unsere
kenntnisreiche Besucherin den Begriff ‚Kunst‘ auch anders gemeint haben. So, wenn
sie das Wort Das demonstrativ betont und damit für alle vernehmlich anzeigt,
dass das betreffende Artefakt für sie ein Sinnbild moderner Kunst ist:
(b)
Das ist Kunst!
(b.1) Das
ist (moderne) Kunst!
Damit würde der
Begriff ‚moderne Kunst‘ zwar auf der Mikroebene des individuellen Kunstschaffens
auf ein konkretes Werk Anwendung finden, gleichzeitig aber auf die Makroebene
der sozialen Institutionen verweisen – das konkrete Werk stünde hier
stellvertretend für die ‚moderne Kunst‘. Vorbehaltlich einer besseren Lösung
wollen wir uns an dieser Stelle damit behelfen, für diesen Fall eine weitere
Horizontale auf der Mikroebene des individuellen Kunstschaffens zu etablieren:
AK.5 : das konkrete Werk als Prototyp moderner Kunst
-> Das ist (moderne) Kunst!
Dass es sich, wie
schon im Fall (a) Das ist Kunst! (AK.3.1), auch
bei diesem Begriff um einen anderen Begriff handeln muss als jener Begriff ‚moderne
Kunst‘, der in BK.1.1 und BK.2.1 Anwendung findet,
lässt sich bereits daran erkennen, dass sich auch vom ihm kein Plural bilden
lässt. In beiden Fällen handelt es sich ebenfalls um sogenannte nicht
zählbare Substantive. Denn würde die Besucherin in dem Disput auf
mehrere Artefakte referieren, die für sie entweder eindeutig der Kategorie ‚moderne
Kunst‘ (statt der Kategorie ‚Firlefanz‘) zugeschrieben werden können (AK.3.1)
oder
aber Sinnbilder moderner Kunst (AK.5) sind, so könnte
sie weder (a.2) noch (b.2) ausrufen, ohne nicht ein allgemeines Kopfschütteln
hervorzurufen:
(a.2)
Das sind (moderne) Künste!
(b.2)
Das sind (moderne) Künste!
Sie käme nicht umhin, die von ihr
angesprochenen Werke entweder (a.1.1 und b.1.1) zusammenfassend im Singular zu
benennen oder aber (a.1.2 und b.1.2) auf einen anderen Begriff auszuweichen:
Ein Werk: Mehrere
Werke:
(a.1) Das ist (moderne)
Kunst! (a.1.1) Das
ist (moderne) Kunst!
(a.1.2)
Das sind (moderne) Kunstwerke!
Ein Werk: Mehrere
Werke:
(b.1) Das
ist (moderne) Kunst! (b.1.1) Das
ist (moderne) Kunst!
(b.1.2)
Das sind (moderne) Kunstwerke!
Im Fall (a.1.1) ordnet die Besucherin
die Artefakte kollektiv und kategorisch der Kategorie ‚moderne Kunst‘ zu
und berücksichtigt dabei weniger ihren Status als konkrete Entitäten. Demgegenüber
sagt uns unser Sprachgefühl im Fall (a.1.2), dass sie, wenn
sie die Artefakte kollektiv als ‚moderne Kunstwerke‘ identifiziert, damit ihren
Status als konkrete Entitäten signifikant stärker betont als im Fall (a.1.1).
Im Fall (b.1.1) spricht die
Besucherin, pars pro toto, von den Artefakten als Sinnbilder für das,
was für sie moderne Kunst darstellt. Spricht sie also diese Artefakte als ‚Kunst‘
an, haben sie im Moment ihrer Aussage weniger den Status konkreter Entitäten,
sondern eher den von Symbolen. Demgegenüber sagt uns unser Sprachgefühl im Fall
(b.1.2), dass sich da deutlich mehr ändert als nur das Nomen. Vielmehr
liegt hier ein gegenüber (b.1.1) umgekehrter Status vor: Spricht sie die
Artefakte als ‚Kunstwerke‘ an, haben diese im Moment ihrer Aussage weniger den
Status von Symbolen, sondern eher den konkreter Entitäten. Schon
deshalb kann ich mich, wie schon im Fall (a.1.1) und (a.1.2), nicht
der Auffassung des Kunstphilosophen Reinold Schmücker anschließen, der in
seinem Buch Was ist Kunst? postuliert, dass „das Wort ‚Kunst‘, sofern es
sich auf ästhetische Kunst bezieht, ein Synonym für ‚Kunstwerk(e)‘“
ist (Schmücker 2014: 76), ergo eine „bedeutungsneutrale Ersetzung von ‚Kunst‘
durch ‚Kunstwerk‘ (resp. ‚Kunstwerke‘, Anmerkung S.O.) möglich“ (ebd.: 73) wäre. Nach meiner Auffassung
spricht aber noch ein weiterer Umstand dagegen, dass in diesem Fall, in dem es ganz
offensichtlich um das geht, was Schmücker ‚ästhetische Kunst‘ nennt, die Worte Kunst
und Kunstwerke Synonyme sein sollen und sie ohne Änderung der Bedeutung ausgetauscht
werden können. Diese Annahme würde implizieren, dass Kunst (als nicht
zählbares Substantiv) gleichzeitig Synonym für Kunstwerk (Singular)
wie auch für Kunstwerke (Plural) sein kann. Was mit der Behauptung
einhergehen würde, dass die Numeri hier keine bedeutungsdifferenzierende
Komponente besäßen. Würde das tatsächlich der Fall sein, wäre es, soweit ich es
überblicken kann, ein einzigartiges sprachliches Phänomen.
3.
Was, wenn nun der
bornierte Begleiter unserer kunstaffinen Begleiterin nicht Besseres zu tun hätte,
als ihr despektierlich zu antworten:
(c)
Ach so, der Klotz da ist Kunst!
Es ist kaum
anzunehmen, dass der gute Mann, obgleich wir uns in einer Ausstellung mit
moderner Kunst befinden, subtil zwischen ‚Kunst‘ und ‚moderne Kunst‘ zu
differenzieren versteht. Weshalb die Vermutung naheliegt, dass er bei dem
Begriff ‚Kunst‘ in (c) beide Spielarten, im Gegensatz zur Gebrauchsweise
seiner kompetenten Begleiterin, in eins wirft. Sollte das der Fall sein,
würden der Banause und die Expertin zwar das gleiche Wort Kunst
benutzen, aber jeweils einen anderen Begriff ‚Kunst‘ meinen. Bei ihr ist anzunehmen,
dass sie mit dem Begriff ‚Kunst‘ auf die kontextuell bedingte Einordnung des
konkreten Werks (AK.3.1) oder auf das konkrete Werk als Prototyp
moderner Kunst (AK.5) referiert. Bei ihm hingegen gestaltet sich die
Zuordnung seiner Begriffsverwendung in unserem aktuellen Organigramm etwas
schwieriger. Spontan am nächsten läge wohl der Verweis auf:
AK.3 : auf das konkrete Werk -> Das ist
Kunst!
Wir sollten uns
aber nicht vorschnell mit dieser Zuordnung zufrieden geben. Denn da unser
Banause den Begriff ‚Kunst‘ im Rahmen einer ironischen Bemerkung verwendet, aus
der seine verächtliche, abschätzige Haltung gegenüber der ‚Kunst‘, die seine
Begleiterin so sehr schätzt, zu sprechen scheint, lässt sich vermuten, dass er
nur formal auf das konkrete Werk – ‚der Klotz da‘ – referiert. Vielmehr scheint
‚der Klotz da‘ für ihn geradezu ein Prototyp schlechter Kunst, wenn
nicht sogar von Nicht-Kunst zu sein. Sollte dem so sein, könnte ‚der Klotz da‘ für
ihn stellvertretend für ‚alle Klötze‘, womöglich sogar für alle Artefakte stehen, die er
für schlechte Kunst resp. Nicht-Kunst hält. Damit würde die Äußerung (c) Ach
so, der Klotz da ist Kunst! eher eine Nähe zur Horizontalen AK.5
besitzen, für die wir eine eigene, hypothetische Variation formulieren wollen:
AK.5.1 : das konkrete Werk als Prototyp schlechter
Kunst/Nicht-Kunst -> Ach so, der Klotz da ist Kunst!
Aber auch wenn der
Kunstbanause, wie wir vermuten, ‚Klotz‘ hier im Sinne eines Prototyps für
schlechte Kunst/Nicht-Kunst verwendet – aus dem Begriff ‚Kunst‘ wird damit noch
lange kein Kollektivsingular. Wie wir gesehen haben, verbleibt er, auch wenn mit
ihm auf mehrere Artefakte Bezug genommen wird, im Singular:
Ein Werk: Mehrere Werke:
(c) Ach
so, der Klotz da ist Kunst! (c.1)
Ach so, die Klötze da sind Kunst!
Beim Begriff
‚Kunst‘ handelt es sich also selbst in dieser Gebrauchsweise, wie schon in (a.1.1) und (b.1.1), um ein nicht
zählbares Substantiv, nicht aber um ein Kollektivsingular. Die Verwendung des Plurals
würde, wie auch in (a.2) und (b.2), bei halbwegs kompetenten Sprechern
des Deutschen nur verständnisloses Kopfschütteln auslösen:
(d) Ach so, die Klötze da sind Künste!
Ersetze ich in (c.1) in Schmückers
Sinne ‚Kunst‘ durch ‚Kunstwerke‘, so erhalte ich:
(c.2) Ach so, die Klötze da sind
Kunstwerke!
Behaupte ich nun,
diese Ersetzung wäre bedeutungsneutral, so lande ich wieder bei den bereits
vorgebrachten Gegenargumenten. Nicht nur, dass ich damit behaupten müsste, dass
Numeri keine bedeutungsdifferenzierende Komponente besitzen. Ich müsste auch
behaupten, dass ‚Kunst‘ entweder, wie ‚Kunstwerk‘, hier eher den Status konkreter
Entitäten hat und nicht von Symbolen – oder aber umgekehrt, dass ‚Kunstwerk‘
hier eher den Status von Symbolen hat und nicht von konkreten Entitäten.
4.
Kurz wollen wir
noch auf einen weiteren Begriff ‚Kunst‘ zu sprechen kommen, bei dem es sich weder
um ein Kollektivsingular noch um ein nicht zählbares Substantiv handelt:
AK.2 : bezogen auf den eigentlichen Prozess des
Kunstschaffens
-> Malen ist Kunst.
(Singular)
-> Malen und Tanzen sind
Künste. (Plural)
Reinold Schmücker führt
diesen Begriff ‚Kunst‘ in seinem Werk als ‚mechanische Kunst‘ ein, der auf eine
„handlungskompetenzbezeichnende Kraft“ (Schmücker 2014: 73) referiert. Er kann nicht
durch ‚Kunstwerk‘ ersetzen werden, da beide Begriffe Verschiedenes bezeichnen: „Mechanische
Künste können sich (…) zwar in Kunstwerken manifestieren. Doch sie sind selbst
niemals Kunstwerke, weil sie Fertigkeiten und keine Artefakte sind“
(ebd.: 74).
Er glaubt lexikalische
Indikatoren eruiert zu haben, die aufzeigen, wann ein Sprecher sich auf die mechanische
Kunst, also auf Fertigkeiten, Handlungskompetenzen bezieht und wann auf die Kunst
im engeren Sinne (die er „ästhetische Kunst“ [ebd.: 69] nennt). Ist die Rede
von der Kunst, so zeigt ein „indefiniter Gebrauch, bei dem ihr ein unbestimmter
Artikel voransteht“ (ebd.: 70), an, dass in diesen Fällen „von einer mechanischen
Kunst die Rede“ (ebd.: 70) ist:
(f) Kugelstoßen
ist eine Kunst.
(g) Stabhochsprung
ist eine Kunst.
Entsprechend ließen sich die Sätze (f) und (g) im Sinne
Schmückers so präzisieren:
(f.1) Kugelstoßen
ist eine mechanische Kunst.
(g.1) Stabhochsprung
ist eine mechanische Kunst.
Hingegen zeigt ein
„absoluter Gebrauch, bei dem die Vokabel als Nomen ohne weiteren Zusätze
(wie Artikel, Pronomen oder Attributionen) auftritt“ (ebd.: 70), laut Schmücker
unmissverständlich an, dass in diesen Fällen „von ästhetischer (…) Kunst die
Rede ist“ (ebd.: 70). Allerdings stößt die Kategorisierung anhand dieses vermeintlich
so sicheren lexikalischen Indikators schnell an ihre Grenzen. So
beispielsweise, wenn ich von Kugelstoßen und Stabhochsprung in einem Atemzug
spreche:
(h) Kugelstoßen
und Stabhochsprung sind Künste.
In diesem Plural
wird offensichtlich ‚Kunst‘ ‚als Nomen ohne weiteren Zusätze (wie Artikel,
Pronomen oder Attributionen)‘ verwendet. Was ja eigentlich eindeutig den
absoluten Gebrauch und damit die ästhetische Kunst anzeigen sollte. Jedoch handelt
es sich, laut lexikalischer Probe in (f) und (g), bei diesen
Künsten um ‚mechanische Künste‘. Eine weitere Formulierung dürfte ebenfalls
ziemliche Bauchschmerzen bereiten:
(f.2) Kugelstoßen
ist eine ästhetische Kunst.
(g.2) Stabhochsprung
ist eine ästhetische Kunst.
In diesen
grammatikalisch und semantisch völlig einwandfreien Sätzen behaupte ich das
Gegenteil dessen, was der lexikalische Indikator laut Schmücker eigentlich eindeutig
aufweist. Denn wie gesagt: Ein „indefiniter Gebrauch, bei dem ihr (der Kunst,
Anmerkung S.O.) ein unbestimmter Artikel voransteht“ (ebd.: 70), zeigt das
Vorliegen einer mechanischen Kunst an. Da es sich nun aber bei (f.2) und
(g.2) um korrekte deutsche Sätze handelt, gibt es meines Erachtens drei
Möglichkeiten: (1.) Entweder lüge ich, wenn ich (f.2) und (g.2)
äußere oder (2.) ich habe keine Ahnung von Kunst oder aber (3.) die Theorie ist
nicht wasserdicht. Sehen wir uns ein weiteres Beispiel an:
(f.3) Kugelstoßen
ist Kunst.
(g.3) Stabhochsprung
ist Kunst.
Auch hier handelt
es sich (cf. unseren Beispielsatz für die Horizontale AK.2 : bezogen auf den eigentlichen Prozess des
Kunstschaffens -> Malen ist Kunst) um grammatikalisch und semantisch korrekte
deutsche Sätze, an denen nach meinem Dafürhalten nichts auszusetzen ist. Da nun
bei ihnen gemäß Schmücker ein „absoluter Gebrauch (vorliegt), bei dem
die Vokabel als Nomen ohne weiteren Zusätze (wie Artikel, Pronomen oder
Attributionen) auftritt“ (ebd.: 70), müsste demnach hier konsequenterweise „von
ästhetischer (…) Kunst die Rede sein“ (ebd.: 70). Was aber, wie mir scheint,
seinen eigenen Aussagen widerspricht. Denn Kugelstoßen und Stabhochsprung ordnet
er unmissverständlich den mechanischen Künsten zu (cf. ebd.: 68). Und diese „sind
selbst niemals Kunstwerke, weil sie Fertigkeiten und keine Artefakte sind“
(ebd.: 74). Eine Aussage, die er allerdings selber gleich in Frage stellt. Macht
er doch ausdrücklich darauf aufmerksam, dass „die Entgrenzung des Kunstbegriffs
auch auf die transitorischen Künste (übergegriffen hat): Alles, ob Gegenstand
oder Aktion, ist seither potentiell Kunst“
(ebd.: 83). Wer wollte da noch die mechanischen Künste ausschließen?
Nach Schmückers
Ansicht zeigen lexikalische Indikatoren wie ‚bestimmter/unbestimmter/gar kein
Artikel‘ nicht allein verlässlich an, ob von ‚ästhetischer Kunst‘ oder von ‚mechanischer
Kunst‘ die Rede ist,
sondern auch, ob in dem Fall, von dem gerade die Rede ist, ‚ästhetische Kunst‘ oder
‚mechanische Kunst‘ faktisch vorliegt. Unsere Beispiele scheinen nun
aber nahezulegen, dass beides, wenn überhaupt, nur recht bedingt der Fall ist. Was
vielleicht weniger an den Indikatoren selbst oder an der heute etwas fragwürdig
gewordenen Differenzierung zwischen ‚ästhetischer Kunst‘ und ‚mechanischer Kunst‘
liegt, sondern vielmehr an der etwas überzogenen Erwartung, was lexikalische
Indikatoren wie ‚bestimmter/unbestimmter/gar kein Artikel‘ oder ‚zählbares/nicht
zählbares Substantiv‘ zu indizieren imstande sind.
Meines Erachtens
sind sie zunächst einmal nur dazu geeignet, uns einen ersten, bisweilen recht
vagen Hinweis darauf zu geben, welcher Begriff ‚Kunst‘ durch die Sprecherin/den
Sprecher verwendet wird. Das heißt: Wo wir ihn auf den Horizontalen der Mikroebene
des individuellen Kunstschaffens resp. der Makroebene der
sozialen Institutionen verorten können. Dazu haben wir im Rahmen dieses
Aufsatzes eine vorläufige, sicherlich ausbaufähige und vor allem verbesserungswürdige
Zuordnung erstellt:
Mikroebene
des individuellen Kunstschaffens:
AK.1 : bezogen auf die subjektive Befindlichkeit ->
Er lebt seine Kunst.
AK.2 : auf den eigentlichen Prozess des
Kunstschaffens -> Malen ist Kunst.
AK.3 : auf das konkrete Werk -> Das ist
Kunst!
AK.3.1 : die kontextuell bedingte Einordnung des konkreten
Werks -> Das ist (moderne) Kunst!
AK.4 : das gesamte Oeuvre -> Seine Kunst ist
in vielen Genres zu Hause.
AK.5 : das konkrete Werk als Prototyp moderner Kunst
-> Das ist (moderne) Kunst!
AK.5.1 : das konkrete Werk als Prototyp schlechter Kunst/Nicht-Kunst
-> Ach so, der Klotz da ist Kunst!
Makroebene der
sozialen Institutionen:
BK.1 : Kunst als episodales Ereignis einer
spezifischen überindividuellen sozialen Institution (so z.B. Stile in der
Musik: Jazz, Rap, Klassik…; Medien in der bildenden Kunst: Performance,
Malerei, Fotografie…) -> Fotografie ist die Kunst, die mich am meisten
anspricht.
BK.1.1 : Moderne Kunst als aktuales
episodales Ereignis einer spezifischen überindividuellen sozialen Institution (z.B.
eines Mediums der Kunstgattung ‚bildende Kunst‘: die immersive Kunst) -> Die
Kunst lässt die Illusion als Realität erscheinen.
BK.2 : Kunst als spezifische überindividuelle
soziale Institution (Kunstgattungen, z.B. die Musik, die bildende Kunst, das
Theater…; auf dieser Ebene des Gebrauchs wird, selbst im fachspezifischen und
wissenschaftlichen Diskurs, oftmals der Kunstbegriff auf die bildende Kunst
beschränkt) -> Im Museum wird die Kunst des 19. Jahrhunderts gezeigt.
BK.2.1 : Moderne
Kunst als aktuales Momentum einer spezifischen überindividuellen
sozialen Institution (z.B. der Kunstgattung ‚bildende Kunst‘) -> Wer Kunst
heute nur in Berliner Ateliers sucht, hat das Zeichen der Zeit nicht erkannt.
BK.3 : Kunst als allgemeine überindividuelle
soziale Institution (‚die Kunst‘ – gibt es auf dieser Ebene nur als nicht
zählbares Substantiv) -> Die Kunst ist etwas zutiefst Menschliches.
BK.3.1 : Moderne
Kunst als aktuale Extraktion des Oberbegriffs ‚Kunst‘, das heißt: als die
alle Kunstgattungen umfassende Erscheinung der allgemeinen überindividuellen
sozialen Institution in der aktualen Synchronie (von der Musik bis zur
bildenden Kunst) -> Kunst ist heute egalitär.
Solange wir aber den Begriff ‚Kunst‘ nicht „in dem Acte ihres wirklichen
Hervorbringens“ (Humboldt 2008: 325) betrachten, werden wir mit unseren
Zuordnungsversuchen nicht weiter kommen. Denn welcher Begriff ‚Kunst‘
jeweils vorliegt, lässt sich nur aus dem Kontext einer konkreten Situation und auf
Basis eines für ein solches Procedere erforderliches allgemeines Weltwissen halbwegs
angemessen erschließen. Vorausgesetzt, wir verstehen die Sprache ‚im Schlaf‘ und
verfügen über die elementare psychologische Infrastruktur
menschlich-kooperativer Akte: die Infrastruktur geteilter Intentionalität. Mit
ihr besitzen wir die ontogenetische Basis, auf der unsere
operative Fähigkeit zur geteilten Intentionalität als die im Vollzug einer aktualen
Handlung situativ vorliegende Intentionalitätsvariante gründet,
durch die wir zum Beispiel in einem Gespräch imstande sind, zu ‚verstehen‘,
was
ein Sprecher jeweils gemeint hat. Ob nun aber meine Interpretation
tatsächlich mit dem übereinstimmt, was er gemeint hat, steht auf einem anderen
Blatt – und ob ich dies jemals werde verbindlich herausfinden können, noch
einmal auf einem ganz anderen: Ich kann dies zwar durch gezielte Nachfrage
in Erfahrung zu bringen versuchen, es kann mich aber nie zu einer endgültigen Gewissheit
führen, da jede Nachfrage, bei der ich ja nicht umhin komme, wiederum solcherart
nachfragebedürftige Begriffe benutzen zu müssen, immer wieder dasselbe Problem
erzeugt: Aus diesem Zirkel kann ich nie entkommen (was mich mit einer gewisser
Demut erfüllt).
Zumindest das Eine wissen wir jetzt: Mit dem einen Wort Kunst generieren
wir im Gebrauch unzählige Begriffe ‚Kunst‘. Und mit einem Blick auf die
folgenden Beispiele mag jeder die Frage, welche und wie viele es sind, vielleicht
für sich fürs Erste mit zu beantworten suchen:
Kugelstoßen ist Kunst.
Kugelstoßen und Stabhochsprung
sind Künste.
Kugelstoßen ist Kunst.
Kugelstoßen und Stabhochsprung
sind Kunst.
Kugelstoßen ist eine
Kunst.
Kugelstoßen gehört,
wie Malen und Schreiben, zur Kunst.
Kugelstoßen gehört,
wie das Theater und die Literatur, zur Kunst.
Kugelstoßen gehört,
wie das Theater und die Literatur, zu den Künsten.
Kunst ist Kunst.
Zur Kunst gehören
alle Künste.
Das Kunstwerk ist
Kunst.
Was ist Kunst?
Malen ist Kunst.
Malen und Tanzen
sind Künste.
Malen ist Kunst.
Malen und Tanzen
sind Kunst.
Malen ist eine Kunst.
Malen und Tanzen
sind Künste.
Literatur ist
Kunst.
Literatur und Bildhauerei
sind Künste.
Literatur ist
Kunst.
Literatur und Bildhauerei
sind Kunst.
Literatur ist eine
Kunst.
Die Kunst des literarischen
Schreibens ist eine Kunst für sich.
Die Kunst der Literatur
ist eine Kunst für sich.
(Liste
ist individuell beliebig zu erweitern)
Literatur:
Humboldt, Wilhelm von
(2008): Schriften zur Sprache, Frankfurt a.M.: Zweitausendeins.
Kanz, Roland (2014): Kunst‚ in: Enzyklopädie der Neuzeit Online; online
unter: http://dx.doi.org/10.1163/2352-0248_edn_a5043000 (zuletzt abgerufen:
23. Dezember
2018)
Keller, Rudi (42014):
Sprachwandel, Tübingen: A. Francke Verlag.
Keller, Rudi (22018): Zeichentheorie, Tübingen: UTB/A. Francke
Verlag.
Schmücker, Reinold (2006): Kann das schönste Mädchen jemals häßlich sein?, in: Im
Schatten des Schönen – Die Ästhetik des Häßlichen in historischen Ansätzen und aktuellen
Debatten, Bielefeld: Aisthesis Verlag.
Schmücker, Reinold (22014): Was ist Kunst? Eine Grundlegung, Frankfurt
Wikipedia-Eintrag:
Kollektivsingular; online unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Kollektivsingular
(zuletzt abgerufen:
02. Dezember 2020)
Wikipedia-Eintrag:
Stoffname; online unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Stoffname (zuletzt abgerufen: 02.
Dezember 2020)
Wyss, Beat (2018): Reiche sind immer reich geblieben, Artikel in: F.A.S. 23.
Dezember 2018.
Wikipedia-Eintrag: Stoffname; online unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Stoffname
(zuletzt abgerufen: 02. Dezember 2020)
Bei dem Begriff ‚Kunst‘, der auch in der essentialistischen Kernfrage Was
ist Kunst? Anwendung findet, handelt es sich um jenen Oberbegriff, der alle
künstlerischen Schöpfungen umfasst. Da dieser Begriff nun aber noch nicht in der
Antike existierte, sondern ein neuzeitlicher, mitteleuropäischer Neologismus
ist, würde, sollte die Frage dem roten Wesensfaden der Komprehension künstlerischer
Schöpfungen (d.h. der Menge aller vergangener, gegenwärtiger sowie künftiger Schöpfungen)
gelten, entweder eine heutige Denkfigur unzulässig in die Vergangenheit rückprojiziert
resp. in die Zukunft projiziert werden. Oder aber es müsste ernsthaft die These
aufgestellt werden, bei diesem Begriff ‚Kunst‘ handle es sich um den gleichen Begriffstypus
(der Sprachwissenschaftler Rudi Keller nennt sie „Fregesche Begriffe“ [Keller
2018: 120]) wie die Begriffe ‚Gold‘ oder ‚Primzahl‘: ‚Gold‘ und ‚Primzahl‘ sind
zeit- und kulturinvariant, zudem im allgemein akzeptierten Konsens eindeutig definiert.
So kommt der Aussage 2 ist eine Primzahl immer und überall der Wahrheitswert
f zu, der Aussage 3 ist eine Primzahl hingegen immer und überall der
Wahrheitswert w. Eine solche zeit- und kulturinvariante, im allgemein
akzeptierten Konsens getroffene Definition gibt es bei dem Oberbegriff ‚Kunst‘ nicht.
Entsprechend gibt es auch keine gültigen Wahrheitswerte-Aussagen. Und eben auch
keine aus einer solchen Definition abgeleiteten Aussagen über die Zuschreibung
des Begriffs ‚Kunst‘ zu Genres, Stilen oder konkreten Artefakten, von denen dann
verbindlich gesagt werden könnte, dass ihnen der Wahrheitswert w oder f zukommt.